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Rom

Rom: Blick vom Petersdom
Rom: Blick vom Petersdom

    Nein, weder der neue Papst noch das heilige Jahr sind der Grund, dass wir nach Rom fahren. Die Idee war einfach da, entwickelte sich und entpuppte sich als großer Erfolg.

Wir fahren also mit den Fahrrädern von Graz über Florenz nach Rom. Diesen beiden Städten widmen wir auch jeweils einen ganzen Tag. Zurück radeln wir an der Westküste Italiens bis La Spezia, um dann nach dem Apennin und der Poebene - für uns neu - durch "die Dolomiten" - zurück nach Osttirol und über Kärnten nach Hause zu gelangen. 

Das Heimkommen ist im letzten Moment doch etwas anders als geplant...

Viel Schnee in den Juliern: Jof Fuart
Viel Schnee in den Juliern: Jof Fuart

 Wir haben uns in den Kopf gesetzt, weil das Wetter eh so schön ist, die ersten beiden Male gleich wild zu campieren. In Eibiswald, wo wir an der Tankstelle einkaufen, schaut der Tankwart unsere Fahrräder skeptisch an und meint: Dass es so was noch gibt. Die haben ja gar keinen Motor. Ich frage: Erlaubt ist das aber schon noch. Nein, eigentlich ist das seit Kurzem verboten, meint er lachend darauf und erklärt, dass es eben wirklich kaum noch Radler und Radreisende ohne Motor gibt.

   Das erste Ziel, die Hängebrücke Santa Lucia, ist zum wiederholten Mal ein ruhiger, beschaulicher Ort. Sogar überdacht und mit Frischwasser - was wollen wir mehr?

Dann trotten  wir weiter, lang wieder einmal der Drau folgend, um nach einem Einkaufsstopp in Villach direkt an der Gail zu kochen und ganz romantisch zu schlafen. Nächstes Ziel: Gemona, welches flott und heuer trocken erreicht wird. Ein frühes Ankommen ermöglicht es uns gut, die Wäschen zu waschen, am Abend gibt's Pizza!

Lötschenlücke
Lötschenlücke

Am dritten Tag unserer Reise erreicht uns eine ganz betrübliche Nachricht: Wir waren erst Mitte Mai, also vor nicht einmal 2 Wochen, mit den Skiern von der Lötschenlücke zurück ins Tal zur Fafleralp abgefahren. Eineinhalb Tage später hatten wir zu Hause von der Evakuierung des Dorfes Blatten erfahren. Und jetzt das: Der Ort wurde komplett durch einen Bergsturz vom Kleinen Nesthorn, der auch den darunter liegenden Birchgletscher mitriss, verschüttet.

Weil die Erinnerung so frisch ist, geht uns diese Meldung besonders nahe.

Dom von Padua, Basilika des hl. Antonius
Dom von Padua, Basilika des hl. Antonius

   Wir schauen uns ein wenig Treviso und ein wenig mehr Padua an. Der imposante Dom und auch der Prato della Valle, einer der größten innerstädtischen Plätze Europas, sind schon beeindruckend. Schließlich gelangen wir wieder zum Camping La Colombara bei Pressana. Von weitem hebt Irene die Arme und ruft fragend: Gertrude? Sie erinnert sich tatsächlich wieder an uns, begrüßt uns auf das Herzlichste und mit viel Plauschen dauert die Anmeldung länger als sonstwo.

Diesmal müssen wir natürlich auch dem hübschen Ort Montagnana einen Besuch abstatten, ein mittelalterlicher Reigen von Gebäuden mit einer stattlichen Stadtmauer umgeben. Gestärkt mit einem typisch italienischen Frühstück - ja, Ciocolatta calda mit Cornetto alla crema - strampeln wir problemlos bis Bologna. Hier ist das Rauskommen durch die Stadt besonders angenehm: Es ist Sonntag in der Früh.

   Das erste Mal auf dieser Reise über den Apennin zieht es sich in der Hitze, ehe wir ein erstes kulturelles Ziel erreichen, Florenz.

Bei der Durchfahrt am Nachmittag wimmelt es nur so von Menschen, unsere Besichtigung planen wir am frühen Morgen, da ist es kühl und kaum Menschen sind unterwegs. Glaubten wir! Beim Dom stellt sich bereits eine mehrere hundert Meter lange Menschenschlange an. Das tun wir uns doch nicht an.

Sehr abwechslungsreich mit auch recht viel Hauptstraße pedalen wir bis zum Trasimenersee, ein Ding, ähnlich seicht wie der Neusiedlersee, nicht zum Schwimmen jedoch durchaus anmutig mit einem schönen Platz. Über Orvieto, das uns besonders gut mit dem Dom, dem Ortsbild an sich und dem interessanten Brunnen Pozzo di San Patrizio gefällt, radeln wir weiter. Bolsenasee heißt der nächste Punkt, den wir leicht genervt erreichen: Hier versagt die Navigation total, nach über 100Hm Abfahrt wird das Gelände immer uriger, die Google-Lady sagt unbeirrt "links hinunter" und wir stehen im Wald, noch dazu mit einem Zaun. Also zurück und neu suchen...

   Der Bolsenasee ist schwimmbar und nach Baden, Kochen und genug zu trinken schaut die Welt schon wieder anders aus.

Rom ist erreicht. Der nächste Rast- respektive Besichtigungstag. Im Zuge einer Radrundfahrt klappern wir einige der berühmten Sehenswürdigkeiten ab - ohne uns jedoch wo lang anzustellen. Zum für uns Schönsten gehört das Erklimmen der Petersdomkuppel - senza ascensore, kostet nur 10€ - und der damit verbundene Blick über die Stadt. Einige Stunden verbringen wir so - das interessiert uns schon sehr, ist aber auch genug.

   Am übernächsten Tag folgt in bereits brütender Hitze die größte Navigationspanne mit insgesamt 16km Umweg. Es ist Sonntag, kein Geschäft mehr offen - da kommt eine Trattoria wie gerufen. Wir werden auf Deutsch angesprochen - der Wirt hat länger in Wien gelebt - und mit typischen Gerichten aus der Maremma verwöhnt. So fügt sich oft Unangenehmes mit besonders Erfreulichem. 

   Am Meer wollen wir doch auch einen Tag verbringen: Der erste Platz gefällt uns nicht, daher wechseln wir frühmorgens 15km weiter nach Castiglione della Pescaia. Hier in "Sans souci" gibt es allerdings ein Problem: Das Mädchen an der Rezeption glaubt nicht, dass wir schon gegen 6 in der Früh am nächsten Tag aufbrechen "dürfen", weil "wir zu laut seien". Mit den Fahrrädern? Echt jetzt? Ja, das Zusammenlegen des Zelts, sie muss fragen! Doch erlaubt, Glück gehabt:))

Am 10. Juni strampeln wir weiter Richtung Livorno und müssen unterwegs entsetzt lesen, dass in unserer Heimatstadt ein junger Mann einen Massenmord mit 10 Toten verübt hat. Aufgewühlt rufe ich Reini an, um mich zu vergewissern, dass mit den Enkelkindern alles in Ordnung ist - und schäme mich fast, dass ich nur "an uns" denke. Welches Leid, welchen Schmerz hat dieser irre junge Mensch bei unzähligen Verwandten und Freundinnen verursacht - auch bei seinen eigenen. Dieser Wahnsinn bewegt uns schon außerordentlich.

Nach der Freude, einen gut bekannten Platz knapp südlich von Livorno wieder zu erleben, reisen wir weiter bis knapp vor La Spezia. Überrascht stellen wir fest, dass es hier südlich von Viareggio einen kilometerlangen, unverbauten Sandstrand gibt, der nur über den Radweg zu erreichen ist. Das erinnert uns an ganz frühe Familienurlaube in den 80ern in der Türkei.

   Wir müssen dann irgendwie wieder über den Apennin: Das geht gut über den Passo Bratello, herrlich einsam, herrlich heiß, herrlich steil...

   Weit und breit gibt es keine Campingplätze, so dass wir am Taro - nie gehört vorher - und dann am Po wild, dafür umso schöner übernachten. Im Po können wir sogar schwimmen und er ist wärmer als die folgenden Kärntner Seen.

   Bevor wir diese erreichen, erleben wir aber schon noch was! Wir nächtigen - wieder wild - nahe Ponte nelle Alpi und überstehen ein Gewitter, bei dem es gar nicht mehr zu blitzen und donnern aufhört. Es ist aber nicht so nahe, dass wir uns wirklich fürchten müssten. Frühmorgens kommen wir nach Longarone, erhalten schon vor 6:00 ein Frühstück und schauen ergriffen zur Vajont-Staumauer, die noch oben in der Schlucht steht. 1963 war hier der Berg in den Stausee gerutscht und hat diesen zum Überschwappen gebracht. Mehr als 2000 Menschen starben, etwa die Hälfte wurde nie gefunden. 

   Und dann, nach einigen Steigungen - wir fahren ja "in die Dolomiten" - stehen wir mit Blick auf Pelmo und Antelao an: Die nächtlichen Gewitter haben hier heftig gewütet und eine Mure durch den Ort Cancia vor Cortina ausgelöst. Häuser sind verschüttet, die gesamte Ortsdurchfahrt von Pieve di Cadore nach Cortina für 3 Tage - wie wir später lesen werden - gesperrt. Wir schaffen es, nach 1,5 Stunden des Wartens und vor allem Suchens einen für Radlerinnen möglichen Durchschlupf zu finden. Bald danach setzt schon wieder Regen ein, wir treten über den 1500m hohen Passo Cimabanche, der mir bei all den vielen Dolomiten-Kletterfahrten nie als Übergang mit einer nennenswerten Steigung aufgefallen ist, und gelangen zum Toblacher See.

So nähert sich unsere Reise einem Schluss. Durchs Drautal zockeln wir nach Kleblach/Lind, verbringen am sehr netten Badesee einen Rasttag, freuen uns über die spontane Einladung von Herta, Matthias' Mutter, nach Lind und erreichen einmal mehr durch eine ganz schöne, ungewohnte Gegend den Goggausee. Durch einen Motorradunfall vor Kleinkirchheim entsteht ein langer Stau, den wir auf dem Radweg umfahren können. Freilich ist es immer beklemmend, die Bemühungen der Notärztin, den wartenden Hubschrauber hautnah mitzukriegen. 

    Im Gasthaus nahe dem Goggausee und -camping hat die Kellnerin sonst nichts zu tun und es ergibt sich ein längeres, sehr nettes, persönliches Gespräch über ihre Arbeit, unsere Reisen, das Studieren und die fehlenden Arbeitskräfte in Lehrberufen  - und dann ab zum Schwimmen.

   Frühmorgens rollen wir sehr lange durch die Wimitz, um nach mehr als 20 km noch vor 7 beim Geschäft in Kraig endlich frühstücken zu können. Dann ziehen wir unsere Spuren durchs schöne Feldkirchen in die Steiermark zum Furtnerteich, der natürlich wieder zum Schwimmen und Kaffeekochen einlädt. Apropos Kochen: Wir sind nach Jahren wieder auf den Benzinkocher gekommen. Der Soto brennt gut, windstabil und verlässlich, war sehr günstig zu erstehen,  ist kaum schwerer als der Gaskocher und - vor allem - den Brennstoff bekommen wir an jeder Tankstelle.

   Eine Nacht auf der Murinsel bei Großlobming und ein Frühstück in Leoben später gibt es doch wieder ganz was Neues und Unerwartetes: An Gertis Radl bricht der Freilauf, sie kann ungehindert vor- und zurück treten - nur das Rad bewegt sich nicht mehr. Was also machen? Das lässt sich mit den mitnehmbaren Mitteln nicht reparieren.

Der Georg lässt seine Gerti an einem hübschen Rastplatz ganz in der Nähe mit dem ganzen Gepäck rastend und lesend zurück, tritt die 64 km allein nach Hause und holt seine Holde mit dem Auto ab. 

   Ein Ende, ungewöhnlich, aber auch schön.

Am mittleren Nachmittag wählen wir in Graz schon frisch geduscht unsere Pizza aus. Ach ja,  und ein Starobrno:))


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Kommentare: 4
  • #1

    Franziska (Sonntag, 22 Juni 2025 16:55)

    Gratuliere zu dieser großartigen Reise. Schön, dass ihr gut zurück seid!

  • #2

    Tine (Montag, 23 Juni 2025 18:45)

    Einzigartig! Das macht Euch nicht so schnell einer nach!
    Staunenswert!

  • #3

    G&G (Montag, 23 Juni 2025 18:50)

    Danke euch!

  • #4

    Martha (Montag, 23 Juni 2025 19:34)

    So eine schöne Radreise!!! Super Fotos!