
Es gibt wohl kaum ein schöneres Lebensmotto: Wer glücklich sein will, sei es jetzt - es gibt keine Gewissheit über das Morgen. Der Gedanke stammt aus den Karnevalsliedern des Lorenzo de' Medici und entspricht in etwa dem "Carpe diem" von Horaz. Und es ist der Name einer vielgerühmten Kletterroute in Muzzerone bei Porto Venere/La Spezia. Von dort geht's noch eimal in den ewigen Schnee...

Am 1. Mai zieht es uns in den wärmeren Süden, ins Aostatal, das genau genommen erst in Pont-Saint-Martin beginnt. Neue, für uns erschwingliche Kletterrouten gibt es und die Natur blüht. Die Via Ozzy ist eine feine Kletterei in der schönen, sonnigen Wand unterhalb von Albard. Auch ober Albard entdecken wir immer wieder verborgene Schönheiten wie die "lato sinistro". Die Felsqualität, die sonnige Lage, die kurzen Zustiege sind es, die diese Anstiege hier so reizvoll machen. Mit der Via Ruella, die wir schon kennen und deswegen auch den Zustieg inzwischen finden, und dem originellen Pirubeck-Monolithen flüchten wir dann vor dem Regen...

...der doch auch bis in den Süden vordringt. Wir finden einen außergewöhnlich idyllischen Nur-Zeltplatz mitten in einem Rosengarten recht nahe an La Spezia. Von hier aus erreichen wir die Klettereien von Muzzerone gut. Für mich macht es immer einen besonderen Reiz aus, eine Gegend ganz neu zu erkunden. Wie erreicht man den Ausgangspunkt? Trotz aller Beschreibungen - die Straße ist im letzten Teil wegen eines Erdrutsches gesperrt. Wo sind welche Sektoren und wie kommt man dahin? Einige Wände sind gleich neben der (gesperrten) Straße, andere erreicht man nur über abenteuerliche Zustiege mit ausgefransten, alten Fixseilen.
Die nämliche Route "Chi vuol essere..." ist so eine. Ich suche schon eine Zeitlang angeseilt die beschriebene Kiefer, die den Einstieg kennzeichnet, denke bereits ans Aufgeben, ehe ein weiteres Kletterpaar kommt. Jetzt kann ich mir keine Blöße geben und ich steige entschlossen die einzige noch nicht versuchte Rinne Richtung Meer hinab. Tatsächlich, alte Seile. Hier geht's weiter. Ich lasse den beiden den Vortritt, sie gehen ein paar Meter, aber am Einstieg streiten wir uns dann erst wieder, wer wohl die langsamere Seilschaft ist. Danke für's Vorlassen, aufgehalten haben wir euch dafür nicht.
Die Linie ist imponierend über dem Wasser, steil und beeindruckend - aber soooo schön, wie in vielen Kommentaren zu lesen ist, auch wieder nicht.
Auch hier gibt es Regen, sogar entgegen der Wetterprognose. Das erleben wir bei einer hübschen Wanderung im nahen toskanischen Apennin. Den Monte Sagro ober den berühmten Marmorsteinbrüchen von Carrara - den Stein benutzte unter anderen Michelangelo beispielsweise für seine berühmte Pietà im Vatikan - sehen wir nur einmal kurz von unten. Die meiste Zeit spazieren wir hingegen in Nebel und Regen.
Einen Tag nehmen wir uns für eine sehr anregende Rundwanderung auf der Insel Palmaria gegenüber von Porto Venere. Erstes Kriterium: Wie gelangt man auf die Insel, ohne eines der vielen Ausflugsboote, die Rundfahrten und mehr anbieten, zu nutzen. Insbesondere Gerti kommt mit der Blumen- und Blütenpracht hier voll auf ihre Rechnung.

Schlussendlich reizen uns noch einmal weiße Gefilde, noch einmal das "Skitürlen". Und so besuchen wir den längsten Alpengletscher, den Aletschfirn vom Lötschental aus über die Hollandiahütte. Wir erleben unwirklich schöne Stimmungen im gar nicht mehr so ewigen Schnee, lassen Erinnerungen ans 99er-Jahr mit Willi hochleben, als wir das Aletschhorn, die Fiescherhörner und das Finsteraarhorn sehen, und ziehen unsere Spuren beschaulich bis zum Mönchsjoch. Mit schwerem Gepäck, der vollen Skihochtouren-ausrüstung eben, gehen wir viele Kilometer über endlose Gletscher und bekommen hautnah - was man wohl eh ahnen muss - die Verschandelung der Natur im Bereich Jungfraujoch mit. Ein Hubschrauber bringt knatternd in unzähligen Flügen die glitzernden Tunnelelemente für einen - ja, Zauberteppich. Der Sommerschilauf fordert es!
Für uns geht es am vierten Tag über den Jungfraufirn hinunter zum Konkordiaplatz und nochmals 400 Höhenmeter zur Lötschenlücke, bevor uns eine ruppige und anstrengende, ewig lange Abfahrt zurück in die grüne, erwachende Natur bringt.
Für mehr reicht's bei uns durch verschiedenste Umstände nicht - mehr.
Chi vuol esser lieto, sia lieto. Jetzt!
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Tine (Donnerstag, 22 Mai 2025 11:06)
Wie schön ist diese Welt! Ihr schafft es, vieles davon zu entdecken, begehen, erklettern. Einfach großartig!